Offener Brief an den Landrat zur Abschiebung von Jeton und Shiret Duda

 

 

 

EVANGELISCHE KIRCHENGEMEINDE WERMELSKIRCHEN

Der Vorsitzende des Presbyteriums

Pfarrer Ulrich Seng

14. Januar 2013

OFFENER BRIEF

 

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Tebroke,

die Abschiebung von Herrn Jeton Duda und seiner sechsjährigen Tochter aus Wermelskirchen hat erhebliche Unruhe unter unseren Gemeindemitgliedern und in der Bevölkerung ausgelöst. In Sorge um die politische und humanitäre Kultur in unserer Stadt und im Rheinisch-Bergischen Kreis wenden wir – das Pfarrkollegium der Evangelischen Kirchengemeinde Wermelskirchen – uns mit diesem Schreiben an Sie.

Insbesondere die näheren Umstände dieser Abschiebung, die von der Ausländerbehörde des Kreises – also in Ihrem Namen als Landrat – ausgeführt wurde, haben uns zutiefst erschreckt. Ein sechsjähriges Mädchen wird unter traumatisierenden Bedingungen aus dem Schlaf gerissen und in ein Land verfrachtet, das es noch nie gesehen hat. Das Mädchen ist hier vor einem halben Jahr eingeschult worden. Es ist uns unverständlich, wie das Kind nun mitten aus dem Schuljahr heraus abgeschoben werden kann.

Gibt es irgendeine Notwendigkeit, die ein so inhumanes und rücksichtsloses Vorgehen unserer Behörden rechtfertigen könnte?

Zudem gehören Vater und Tochter zur Bevölkerungsgruppe der Aschkali, albanische Roma, die im Kosovo massiven Repressionen ausgesetzt waren. Auch wenn sich die Rechtslage im Kosovo inzwischen gebessert hat, ist nach unserer Wahrnehmung die Situation für diese Bevölkerungsgruppe nach wie vor prekär. Insbesondere droht den Aschkali und damit auch Herrn Duda und seiner Tochter weiterhin die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ausgrenzung, so dass der Lebensunterhalt des Mädchens nicht gesichert ist.

Ist diese Gefährdung für Vater und Tochter ausreichend wahrgenommen und bei der Entscheidung über das Vorgehen berücksichtigt worden?
Hätte nicht gerade für das sechsjährige Mädchen ein erhöhter Schutzbedarf bestanden, wie ihn zum Beispiel die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zum Ausdruck bringt?

Es geht uns um das Schicksal dieser beiden Menschen, aber es geht uns auch um die Frage, inwieweit durch ein solches behördliches Vorgehen die Grundsätze von Humanität und Zivilisation, denen sich unser Staatswesen verpflichtet weiß, Schaden nehmen.

Wir bitten Sie sehr um eine Stellungnahme zu diesen Fragen und um ein erkennbares Zeichen, dass auf solche Humanität auch in schwierigen Entscheidungen Verlass ist.

 

Mit freundlichem Gruß!

Das Pfarrkollegium der Evangelischen Kirchengemeinde Wermelskirchen:

Pfarrerin T. Bremicker; Pfarrerin A. Conrad; Pfarrer H. Demski; Pfarrer Dr. V. Lubinetzki;

Pfarrer H. Poersch; Pfarrer U. Seng; Pfarrerin E. von Winterfeld

 

 

Herr Dr. Tebroke hat diesen Offenen Brief sofort beantwortet.

In seiner Antwort erklärt der Landrat, dass er genau so betroffen sei wie wir, dass aber seine Behörden untadelig nach Recht und Gesetz tätig geworden seien.

In diese Betrachtung muss jedoch die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen mit einbezogen werden. Diese besagt, dass „bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen“ das Wohl des Kindes „vorrangig zu berücksichtigen ist“. Wir ermutigen den Landrat und seine Behörden, künftig im Geiste dieser Konvention zu handeln.

Denn die Bundesregierung hat im Jahr 2010 gegenüber den Vereinten Nationen feierlich erklärt, dass das Ausländerrecht künftig nicht mehr über der Kinderrechtskonvention stehen soll, diese in Deutschland also uneingeschränkt Gültigkeit habe. Im Blick auf diese Erklärung der Bundesrepublik Deutschland haben Gesetzgebung, Justiz und Behörden noch einen großen Nachholbedarf.

Verwundert sind wir, dass die Bergische Morgenpost die große Bewegung in unserer Stadt nach der Abschiebung in ihrer Berichterstattung weitgehend verschwiegen hat. Wir sind besorgt darüber, dass sich tendenziöser Journalismus in der Bergischen Morgenpost breit macht.