Geschichte

Die Kirche steht mitten im Dorf

Vermutlich wurde schon vor dem Jahr 900 ein kleines Kirchlein am Ort der heutigen Stadtkirche errichtet. Es werden nur ein paar Häuser um die Kirche gestanden haben. Im Umfeld des Kölner Erzbischofs Gunter gab es um das Jahr 885 herum einen Mann mit Namen Werinbold, der die Kirche, den Ort und den Namen von Wermelskirchen geprägt haben könnte. Als das Dörfchen wuchs, wuchs auch die Kirche mit. Sie wurde dem Apostel Bartolomäus geweiht. Das katholische Andreasstift in Köln war zuständig für die Ernennung eines Pfarrers und die Verwaltung der Pfarrei. Im Jahr 1510 sollen etwa 2000 Menschen hier gewohnt haben, die sich auf drei Hofschaften (ehemals Hundtschaften: ein Bezirk mit 100 Familien) verteilten: die Ober, Dorf- und Niederhonschaft, Namen, die sich bis heute im Grundbuch der Stadt erhalten haben.

Die evangelische Lehre hält Einzug

Schon lange hatte in Norddeutschland und in Westfalen, in Süddeutschland und in der Schweiz die Reformation Einzug gehalten. Am Mittel- und Niederrhein ließ der alles beherrschende Einfluss des katholischen Kölns lange jeden reformatorischen Ansatz ersticken, – bis Hermann von Wied, der Erzbischof von Köln, selbst sich der evangelischen Lehre zuneigte. 1543 wurde zum Schicksalsjahr der rheinischen Reformation. In Köln predigte der Reformator Martin Bucer. In Düsseldorf ließ sich Herzog Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg das Abendmahl in beiderlei Gestalt, also mit Brot und Wein reichen. Da war auch für Wermelskirchen die Stunde gekommen. Im Verborgenen mag schon mancher das sich in Windeseile verbreitende Gedankengut der Reformation dankbar aufgenommen haben. In diesen entscheidenden Jahren war Matthias Vasbender Pastor in Wermelskirchen. Das katholische Andreasstift hatte ihn eingesetzt; er war kein überzeugter Reformator, aber entweder war er nachgiebig oder beim besten Willen nicht stark genug, um den Strom des neuen Glaubens zu hemmen. So sickert der neue Glaube ein und mit ihm verändert sich das geistliche Leben in der Gemeinde. Man feiert das Abendmahl mit Brot u n d Wein. Die Gemeinde kommt erst nach der Opferhandlung des Pastors in die Kirche, hört die Predigt und entfernt sich vor dem zweiten Teil der Messe. Die Predigt folgt dem Wort der Heiligen Schrift.

Als Matthias Vasbender 1560 starb, folgte die Gemeinde dem evangelischen Bekenntnis.

Die Bewährung des neuen Glaubens

Doch nur kurze Zeit neigte sich das Rheinland der Reformation zu. Der katholische Kaiser bezwang schon Ende 1543 den abtrünnigen Erzbischof und den schwankenden Herzog. Die alte Ordnung zog wieder ein; doch in Wermelskirchen waren die Uhren nicht mehr zurückzustellen. Auch gegen den starken katholischen Einfluß und ohne Absicherung durch die Obrigkeit folgte die Gemeinde ihrem Weg. Während in anderen Gegenden Deutschlands der jeweilige Landesfürst die Religion bestimmte und sicherte, entwickelten im Rheinland einzelne Gemeinde selbstständig und selbstbewusst ihr Bekenntnis. Diese Prägung hat auch die Gemeinde Wermelskirchen über die Jahrhunderte nicht verloren.

Der Kampf um das Bekenntnis der Gemeinde

Pastor Heinrich Bockshorn kam 1587 für fünf Jahre nach Wermelskirchen. Er war Niederländer und gehörte zu den refomiert-calvinistischen Flüchtlingen, die in diesen Jahren vor der Verfolgung durch den katholischen Herzog Alba aus den Niederlanden flohen. Er brachte die Erfahrung der Gemeinden unter dem Kreuz nach Wermelskirchen: die Erfahrung, wie man sein Bekenntnis auch unter Verfolgung und Bedrohung durchhält. Er betrieb den Zusammenschluss mit anderen evangelischen Gemeinden, der 1592 in dem Beitritt der Gemeinde Wermelskirchen zum Essener Bekenntnis gipfelte. Gemeinsam mit Dhünn, Radevormwald, Hückeswagen, Wesel, Elberfeld schlossen sich 16 Gemeinden zu einer Bekenntnisgemeinschaft reformierter Gemeinden zusammen. Während Gemeinden mit lutherischer Prägung sich in der Regel im Schutz einer lutherischen Obrigkeit entwickelten, spielte hier von Anfang an die selbstständige Einzelgemeinde, die Beteiligung von Laien und die kritische Distanz zu aller Obrigkeit eine entscheidende Rolle. Die Gemeinden trafen sich regelmäßig zu Synoden und prägten immer deutlicher ihr reformiertes Bekenntnis aus. Da die Anlehnung an die staatliche Obrigkeit nicht möglich war, bildete man nach dem Vorbild der Niederländer eine von der staatlichen Obrigkeit unabhängige presbyteriale – synodale Ordnung. Innerhalb der bergischen Synode schloß die Gemeinde Wermelskirchen sich 1611 der Solinger Classis an. Das erste Presbyterium bestand aus 9 Laien, einem Pastor und einem Vikar. Die Gemeinde gab sich ein Gesangbuch, in dem nach reformierter Ordnung nur vertonte Psalmen standen, keine Lieder für die Obrigkeit, Herzog oder Kaiser; man erklärte den Heidelberger Katechismus zur Bekenntnisgrundlage der Gemeinde. Auch das Kirchensiegel stammt aus dieser Zeit (1612): es zeigt ein Schaf zwischen drei Wölfen, mit dem linken Fuß bereits in dem Rachen eines dieser Raubtiere. Das Bild verdeutlicht die Bedrohung, die die Gemeinde erlebte. Die erste bergische Synode in Neviges distanzierte sich von den Lutheranern, indem man beim Abendmahl das Götzenbrot (Oblaten) abschaffte und einfaches Weißbrot reichte.

Der Gemeinde Wermelskirchen aber stand die große Auseinandersetzung noch bevor. Zehn Jahre lang hatte sich die Arbeit in Presbyterium, Classis und Synoden gut entwickeln können. Da erinnerte sich 1626 das Andreasstift in Köln an die alten Patronatsrechte über die Gemeinde Wermelskirchen und entsandte den Jesuitenpater Grotfeld als Gegenpfarrer zu dem reformierten Vikar Pollich nach Wermelskirchen. Grotfeld drang mit Soldaten in die Kirche ein und feierte dort eine Messe. Die Gemeinde zog danach mit ihrem Vikar Pollich in ihr Gotteshaus und sang einen Psalm. Der Kirchmeister Molineus soll damals ausgerufen haben: Uns ist der Pollich gerade recht. Pack dich, pack dich. Geh nach Düsseldorf und beklage dich. Lange Jahre bleibt die Lage ungeklärt. Doch immer stärker greifen die Schrecken des 30-jährigen Krieges auf die Gemeinde über. 1631 sollen nur noch knapp 500 Menschen in Wermelskirchen gewohnt haben. Erst der Westfälische Friede von 1648 bringt eine Lösung. Nun kann die Gemeinde sich einen Pfarrer wählen. Das Stift in Köln verliert sein Einspruchsrecht. So kommt der reformierte Pastor Karp (1660-1678) nach Wermelskirchen. Er führt die Reformation in der Gemeinde zuende. In der Kirche werden nun alle Nebenaltäre abgeschafft, nur der Abendmahlstisch bleibt erhalten. Die Wände werden übertüncht, das Fronleichnam- und alle Heiligenfeste sowie die pastoralen Gewänder abgeschafft. Im Gesangbuch stehen 150 Psalmen, Lutherlieder sind in der Gemeinde unbekannt. Sonntagmorgens findet der Gottesdienst statt, nachmittags predigt der Pfarrer über Katechismusfragen.

Der Weg in die Neuzeit

Das beginnende friedliche Nebeneinander unterschiedlicher Konfessionen kündigte sich 1704 an: die kleine Schar römisch-katholisch Gesinnter in Wermelskirchen erwarb ein Grundstück und es kam zum Bau einer neuen katholischen Kirche. Damit war nun gleichzeitig die Kirchenspaltung besiegelt. Allerdings fällt die katholische Kirche einer großen Feuersbrunst zum Opfer, bei der am 16. Oktober 1734 insgesamt 16 Häuser und 7 Scheunen im Stadtbereich in Flammen aufgehen. Bei einem erneuten Großfeuer geht 1758 das ganze Dorf und die Eich mit Ausnahme von wenigen Häusern in Flammen auf. Inzwischen entstehen überall in Europa neue Nationalstaaten. Das Herzogtum Berg mit Wermelskirchen ist ein Teil von Preußen geworden. Der preußische König will sein großes Reich stärker zusammenbinden. Dazu erlässt er für alle evangelischen Kirchengemeinden in seinem Reich eine gemeinsame Gottesdienstordnung. Das Presbyterium der reformierten Gemeinde Wermelskirchen lehnt es zwischen 1822 und 1871 mehrfach und beharrlich ab, ihre einfache reformierte Gottesdienstordnung abzuschaffen und diese Ordnung einzuführen. Die Gemeinde wird dafür vom Konsistorium heftig getadelt. Doch hier zeigt sich das gewachsene Selbstbewusstsein einer Gemeinde, die sich ohne Anlehnung an staatliche Autorität entwickelt und ihr Bekenntnis durchgehalten hat. Nicht so hartnäckig ist die Gemeinde an einem anderen Punkt: Der preußische König hatte ebenfalls angeregt, dass die reformierten und lutherischen Gemeinden in Preußen ihre Differenzen begraben und sich zu einer Union zusammenschließen. Diesen Schritt vollzieht die Gemeinde Wermelskirchen am 12. April 1839 und nennt sich fortan nicht mehr reformierte, sondern evangelische Gemeinde Wermelskirchen. Da die Stadt inzwischen einen wirtschaftlichen Aufschwung genommen hat und die Bevölkerungszahl angewachsen ist, wird die alte Kirche zu klein. Am 25. Februar 1838 wird in der alten Kirche der letzte Gottesdienst gefeiert. Bereits 9 Monate später, am 25. November, hält die Gemeinde ihren feierlichen Einzug in die an gleicher Stelle erbaute neue Kirche.

Die großen Auseinandersetzungen um das Bekenntnis der Gemeinde sind nun vorüber. Nun ist es eher die schleichende Säkularisierung, die der Gemeinde zu schaffen macht. Ein kräftige Erweckungsbewegung anfangs des 20. Jahrhunderts führt zu einer Vertiefung des Glaubens und Belebung des Gemeindelebens, insbesondere in der Jugendarbeit, die von CVJM und EC verantwortet wird. In vielen Familien lebt diese Tradition fort und prägt und bewegt die Gemeinde bis heute. Den traditionellen Bekenntnisbildungen steht die Erweckungsbewegung eher gleichgültig gegenüber. So verliert die reformierte Tradition der Gemeinde zunehmend an Bedeutung.

Während des dritten Reiches bestanden enge Verbindungen zur Bekennenden Kirche, ein Presbyter der Gemeinde nahm an der Barmer Bekenntnissynode von 1934 teil. Nach dem Krieg kommen viele Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten in die Gemeinde. Anfangs sind die Kirchen voll. Aus Ostpreußen und Schlesien bringen sie eher lutherisch geprägte Traditionen mit. Die einfache und sehr konzentrierte reformierte Gottesdienstordnung wird durch Elemente des lutherischen Gottesdienstes ergänzt. Folgerichtig bekräftigt das Presbyterium Ende des 20. Jahrhunderts die Zugehörigkeit der Gemeinde zur Union und betont die Toleranz gegenüber Menschen anderer Traditionen und Bekenntnisbindung.

Auf diesen beiden Säulen steht die Gemeinde auch zu Beginn des neuen Jahrtausends: Erweckung und Vertiefung des Glaubens brauchen Toleranz und Vielfalt in Form und Gestaltung.